Gefahrenzeichen in der Natur spiegeln die aktuelle Lawinensituation wieder. Das Erkennen von Gefahrenzeichen ist sehr wichtig, um die gegenwärtige Gefahrensituation einzuschätzen.
“Die Rahmenbedingungen sind wichtiger als die Neuschneemenge!” (W. Munter)
Bei ungünstigen Verhältnissen gelten bereits 10 - 20 cm Neuschnee als “kritische Neuschneemenge” und somit als Gefahrenzeichen.
Zu den ungünstig Bedingungen zählen starker Wind, tiefe Temperaturen, alte Schneeoberfläche aus Reif, Harsch oder Eis. Als günstig stufen wir eine schwache Windsituation und milde Temperaturen (knapp unter 0°C) ein. Bei günstigen Bedingungen, die im Winter nur selten herrschen, zählt Neuschnee erst ab ca. 50 cm als kritische Neuschneemenge.
Bei ungünstigen Bedingungen sind schon 10 - 20 cm Neuschnee als kritische Neuschneemenge zu werten, dabei ist dann zumindest mit erheblicher Lawinengefahr (Stufe 3) zu rechnen.
„Der Wind ist der Baumeister der Lawinen!“
Vom Wind verfrachteter Schnee wird in der Leeseite (Windschatten) als Triebschnee abgelagert. Triebschnee hat die charakteristische Eigenschaft, dass er weich aber gebunden ist. Es können sich daher Spannungen in der Schneedecke aufbauen und die gefährlichen Schneebretter bilden sich. Die größten Triebschneeansammlungen entstehen während oder kurz nach einer Schneefallperiode. Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass im alpinen Raum fast ständig mit Windverfrachtung zu rechnen ist. Rinnen und Mulden können in allen Expositionen mit Triebschnee gefüllt sein, daher findet sich dieser Passus auch häufig im Lawinenlagebericht.
Auf Tour müssen wir uns immer folgende Fragen stellen und den Zusammenhang herstellen:
Triebschnee ist „weich aber gebunden“. Gerade beim „Spuren“ im Aufstieg lässt sich dies durch die scharfkantigen Spurränder oft feststellen. “Gebunden” heißt, dass sich Spannungen in der Schneedecke aufbauen und übertragen können. Somit ist die Gefahr der Schneebrettbildung gegeben.
Direkte Hinweise auf Triebschnee sind:
Risse in der Schneedecke, scharfkantige Spurenränder, matter Glanz der Schneeoberfläche (kein Glitzern) bzw. vom Wind bearbeitete Schneeoberfläche.
Wie kann ich Triebschnee erkennen?
Im Gelände finden sich oft deutliche Zeichen von Windverfrachtung.
Schneefahnen sind der deutlichste Hinweis auf aktuelle Triebschneebildung.
Sie zeigen auch an, in welche Hänge momentan Schnee verfrachtet wird und sind somit sehr gute Hinweise auf die Bildung von frischen Triebschneeansammlungen. Die Menge an verfrachtetem Schnee darf dabei keinesfalls unterschätzt werden.
Erhöht sich die die Windgeschwindigkeit um das doppelte, so kommt es zur 8-fachen Menge an verfrachtetem Schnee.
Wechten zeigen die Hauptwindrichtung über einen längeren Zeitraum an.
Besonders an exponierten Graten aber auch an Geländekanten in Hängen sind Wechten einfach festzustellende Zeichen für Windtätigkeit. Die Triebschneeansammlungen im LEE unmittelbar unter der Wechte werden als “Wechtenkeil” bezeichnet, von diesem geht auch die größere Gefahr aus.
In Anbetracht der Tatsache, dass gerade kammnahe sehr viel Triebschnee gebildet wird und somit labile Triebschneeansammlungen anzutreffen sind, sollte stets nach Wechten Ausschau gehalten werden.
Windkolke sind besonders im gemäßigten Gelände ein guter Hinweis, wo sich frische Triebschneeansammlungen befinden könnten.
An der Wind zugewandten Seite (LUV) sind sie „ausgeblasen“, im LEE (Windschatten) haben sie einen „Schweif“.
Windgangeln sind ein häufiges Zeichen für Schneeverfrachtung.
Durch den Wind wird der Schnee an der Oberfläche im LUV „herausgefräst“ und im LEE als Triebschnee abgelagert. Die Windgangeln stehen daher mit der „Spitze“ gegen den Wind und sind „dachziegelartig“ angeordnet. Da sich stark unterschiedliche Schneehöhen ungünstig auf die Stabilität der Schneedecke auswirken, sind Erosionsflächen bzw. die danach folgenden „eingewehten“ Hänge kritisch zu beurteilen.
Besonders zu beachten sind dabei die unmittelbaren Übergangsbereiche von wenig zu viel Schnee.
Dünen im Schnee sind ein weniger häufiges Kennzeichen für Schneetransport und vergleichbar mit Sanddünen.
Man findet diese Windzeichen an sehr großflächigen, ebenmäßigen Hängen. Die flache Seite der Dünen zeigt in die Richtung, aus welcher der Wind kommt. Sie gehören zu jenen Windzeichen, die im LUV festzustellen sind. Zu beachten sind deshalb die im LEE befindlichen eingewehten Triebschneehänge.
Abgewehte Rücken sind ein klares Anzeichen für Triebschneevorkommen.
Zeigt sich ein Rücken mit wenig Schnee, so ist dies ein Signal für die unregelmäßige Verteilung der Schneemengen im Hochgebirge. Man darf deshalb nicht von wenig Schnee am Grat auf eine ebenso geringe Schneemenge im Hang schließen.
Besonders kritisch sind die Übergangsbereiche von wenig zu viel Schnee bzw. vom Rücken in eine Mulde einzuschätzen. In diesen Bereichen sind die Spannungen aufgrund der unterschiedlichen Schneemächtigkeiten sehr groß und somit Lawinen besonders leicht aus zu lösen.
Rinnen und Mulden können in allen Expositionen mit Triebschnee gefüllt sein und bilden häufig Gefahrenstellen.
Exponierte, abgeblasene Rücken sind deutliche Erkennungsmerkmale für die angrenzenden Rinnen und Mulden. Deutlich schwieriger einzuschätzen sind Mulden die sich Mitten in ungegliederten Hängen befinden.
Der so genannte Hangausgleich glättet die unebenen Bereiche und verfüllt Mulden mit Schnee. Diese Hänge gleichen einem gespannten Leintuch und die gefährlichen Bereiche sind besonders schwierig zu erkennen.
Frische Lawinen sind ein klarer Hinweis auf eine instabile Schneedecke bzw. einen ungünstigen Schneedeckenaufbau. Lawinen die spontan, also ohne Auslösung durch einen Menschen, abgegangen sind, gelten als Merkmal für Gefahrenstufe 4 (große Lawinengefahr).
Setzungsgeräusche und Rissbildungen treten als typisches Gefahrenzeichen vor allem bei erheblicher Lawinengefahr (Stufe 3) auf. Diese sehr eindrücklichen und mitunter lauten „Wumm - Geräusche“ können als zuverlässiges Zeichen eines ungünstigen Schneedeckenaufbaus angesehen werden.
Bei Belastung durch einen Wintersportler kollabiert das darunter liegende schwache Schneedeckenfundament wobei Luft entweicht und das laute charakteristische Geräusch entsteht.
Starke Durchfeuchtung lässt sich allgemein gut erkennen. Bei starker Durchfeuchtung durch Temperaturen über 0° Celsius oder durch Regen gehen sämtliche Stabilitäten in der Schneedecke verloren.
Der im Frühjahr häufig günstige Harschdeckel schmilzt durch die Sonneneinstrahlung während des Tages, das freie Wasser dringt durch die Schneedecke tiefer ein und dabei geht jegliche Stabilität verloren. Im Tagesverlauf kann infolge der Erwärmung die Lawinengefahr stark ansteigen.
Die Konsequenz für die Tourenplanung lautet dabei früh genug unterwegs zu sein und bevor der Harschdeckel aufgeweicht ist, müssen die kritischen Hangbereiche hinter uns liegen.