Risikomanagement bietet die Möglichkeit, mit dem komplexen Beziehungsgefüge Schneedecke - Gelände - Mensch umzugehen, indem Entscheidungen und Handlungen “strategisch” getroffen werden.
Ziel aller Methoden der strategischen Lawinenkunde ist es, mit möglichst wenig Verzicht ein Maximum an Risikoreduktion zu erzielen. Diese sollen deshalb einerseits möglichst großzügig sein, um akzeptiert zu werden, andererseits aber so „sicher“, dass die meisten Lawinenunfälle verhindert werden können.
Strategien bieten vor allem Einsteigern eine Möglichkeit, Entscheidungs- und Handlungskonzepte Umzusetzen, die einfach und zutreffend sind. Doch auch Experten können sie helfen, die eigene Einschätzung und Vorgehensweise zu hinterfragen.
Welche Strategie man verwendet, sei jedem selbst überlassen, keinesfalls dürfen sie jedoch unreflektiert oder entgegen besserer Einsicht angewandt werden.
Bei der „Elementaren Reduktionsmethode“ muss der Anwender den Lawinenlagebericht kennen und die Hangneigung in Größenordnungen schätzen können (zB der Hang ist zwischen 35°-39° steil und nicht der Hang hat genau 38°).
Das richtige Einschätzen der Hangneigung ist mit etwas Übung nicht sonderlich schwierig, muss jedoch sorgfältig erlernt werden. Die Gefahrenstufe bezieht sich jeweils auf die im Lagebericht genannten Bereiche.
Herrscht beispielsweise Lawinengefahrenstufe 3 (erheblich), dann bleibt man sowohl im Aufstieg als auch bei der Abfahrt in Geländebereichen unter 35°, wobei der gesamte Hang als Einzugsgebiet zu berücksichtigen ist.
Stop or go (Oesterreichischer Alpenverein) ist ein umfassendes (didaktisches) Konzept, welches die auf Skitour oder Variantenabfahrt notwendigen Entscheidungsprozesse strukturiert.
Alle wichtigen, das Risiko mindernden Handlungsanweisungen sind explizit angeführt - dadurch sind sie einfacher umzusetzen und risikobewusstes Verhalten erfährt damit eine höhere Akzeptanz.
Als übergeordnetes Handlungsschema dienen die Standardmaßnahmen, die in einer Art Checkliste die Bereiche Planung und Gelände umfassen. Diese besitzen insofern einen hohen Stellenwert, als sie sicherstellen, dass wichtige Punkte bei jeder Tour/ Variante (ohne Ausnahme) berücksichtigt werden.
In die Standardmaßnahmen eingebettet ist die Stop or Go - Entscheidungsstrategie welche aus zwei Teilen (Check 1 und Check 2) besteht.
Check 1 entspricht dabei der „Elementaren Reduktionsmethode“ (siehe oben). Im Check 2 sollte der Anwender die Gefahrenzeichen: Neuschnee, frischer Triebschnee, frische Lawinen, Setzungsgeräusche und Rissbildung, starke Durchfeuchtung wahrnehmen und beurteilen. Sind keine Gefahrenzeichen festzustellen, so kann weitergegangen werden, treten Gefahrenzeichen auf und werden diese als „Gefährlich für mich?“ bewertet, so muss man der Gefahrenstelle ausweichen oder überhaupt abbrechen.
Durch die Einbeziehung der Gefahrenzeichen werden Elemente der klassischen Beurteilung mit einer Entscheidungsstrategie kombiniert. Für das gesamte Konzept gilt, dass Zumutbarkeit und Praxisrelevanz aller Maßnahmen an oberster Stelle stehen. (Quelle: Oesterreichischer Alpenverein)
Die SnowCard (Deutscher Alpenverein) basiert wie Stop or Go auf der „Elementaren Reduktionsmethode“. Ausgangspunkt ist daher wieder die Lawinengefahrenstufe, die in Beziehung zur Hangneigung gebracht wird.
Dies geschieht bei der SnowCard auf sehr raffinierte Art und Weise, da mittels einer farbigen „Prismen-Karte“ durch Änderung des Betrachtungswinkels zwei unterschiedliche Grafiken (günstige und ungünstige Exposition) sichtbar werden und so auch eine differenzierte Einschätzung des Risikos in unterschiedlichen Expositionen möglich ist.
Liegt man bei der Verbindung von Hangneigung und Gefahrenstufe im „grünen Bereich“ ist das Risiko gering, im „gelben Bereich“ ist Vorsicht geboten und im „roten Bereich“ besteht hohes Risiko.
Im „gelben Bereich“ sind Entlastungsabstände von mindestens 10 m einzuhalten und die Gruppengröße zu beschränken. Bei flächig vielbefahrenen Hängen, kann man 4°-5° Grad von der Hangneigung abziehen, da solche Hänge sicherer sind.
Der sicherheitsbewusste Tourengeher verzichtet bereits im orangen Übergangsbereich von gelb zu rot auf eine Befahrung. Sehr praktisch an der SnowCard sind die integrierten Neigungsmesser, mit denen man sowohl auf der Karte als auch im Gelände die richtige Hangneigung bestimmen kann. (Quelle: Deutscher Alpenverein).
Aufbauend auf die Überlegungen zu den unterschiedlichen Reduktionsmethoden (elementare RM, professionelle RM, goldene Regel) entwickelte Werner Munter den „Bierdeckel“, der seinen Namen davon ableitet, dass Risikobeurteilung so einfach sein muss, dass sie auf einem Bierdeckel Platz hat.
Munter ist es dabei gelungen die Grundlagen der professionellen Reduktionsmethode nochmals soweit zu vereinfachen, dass kein Rechnen mehr notwendig ist und dennoch alle relevanten Reduktionsfaktoren berücksichtigt sind. Besonders beeindruckend am Bierdeckel ist die konsequente Einhaltung der Regeln, die schon für die professionelle Reduktionsmethode gelten und so dem Einsteiger wie auch dem Experten ein Instrument zur Verfügung steht, das größtmöglichen Spielraum bei der Beurteilung lässt.
Grundlegend an dieser Methode ist, dass man bei Gefahrenstufe 3 – drei Bonussterne; bei Gefahrenstufe 2 – zwei Bonussterne und bei Gefahrenstufe 1 – einen Bonusstern haben muss, um einen Hang (mit akzeptablem Restrisiko) befahren zu können.
Bei Stufe 3 ist ein „erstklassiger Reduktionsfaktor“ (aus Punkt 1 oder 2) nötig. Bei Gefahrenstufe 4 bleibt man wie in der elementaren Reduktionsmethode unter 30° Hangneigung. Zusätzlich ist im „Bierdeckel“ berücksichtigt, dass bei starker Durchfeuchtung der Schneedecke nicht alle Bonuspunkte verwendet werden dürfen. Beispielsweise kann man bei Gefahrenstufe 3 (erheblich) und trockenen Verhältnissen einen Südhang (1. Stern) mit 35°- 39° (2. Stern) und Abständen von mindestens 10 m (3. Stern) befahren.
Die 3x3 Filtermethode bildet das Basiswerkzeug zur Vernetzung aller Beurteilungs-kriterien auf einer Wintertour. Sämtliche Kriterien werden in einem Raster sortiert, welcher einerseits zwischen den Beurteilungsaspekten Gelände, Verhältnisse und Mensch unterscheidet und andererseits die Beurteilungstiefe in drei Stufen unterteilt:
Regionaler Filter: Tourenplanung
Lokaler Filter: unterwegs im Gelände
Zonaler Filter: im konkreten Einzelhang
Mit diesem dreistufigen Verfahren kommen wir zu einer laufend verfeinerten Einschätzung. Die ursprüngliche Einschätzung wird zwei Mal hinterfragt und mit neuen Erkenntnissen ergänzt, bis schließlich ein kritischer Bereich angegangen werden darf.